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Huschke v. Kantstein testet exklusiv für die Paul-Natorp-Schule den
Mercedes Benz L 406 D “Special Wille Edition”

Die Geschichte des besagten Fahrzeuges begann 1976, als es genauso wie viele seiner Brüder in Düsseldorf vom Band lief. Zur Special Edition wurde der Daimler erst erhoben, als er 1982 gebraucht von Wolfgang Wille gekauft wurde, der ihn ersteinmal gründlich auf Vordermann brachte. Die Sonderausstattung umfaßt nun Dinge wie Dreifarbenlackierung, fast Ganzverspachtelung der Karosserie, manchmal wiederverschließbare Fenster, einen Dachgepäckträger mit integrieter Fußfalle samt Leiter, bei der man aber die oberen und unteren Sprossen aufgrund erhöhter Bruchgefahr meiden sollte. Ferner wurde das Hecktrittbrett lose montiert, und die Hecktürverriegelung bekam ein Automatikschloß (springt bei Erschütterung auf). Im Innenraum wurde den wohnlichen Eindruck zu verstärken, Teppichboden verlegt, so daß sich dir Nutzlast um ca. 100 kg verringert. Ebenso wurde ein Kühlschrank installiert, der exakt 17 Bierdosen und ein Stück Butter faßt.

Die Motorleistung beträgt je nach Ölstand ca. 60 PS; da sich die Motorleistung bei geringerem Ölstand erhöht sollte maqn längere Höchstgeschwindigkeitsfahrten bei 90 km/h vermeiden, um einem Kolbenfresser vorzubeugen. Da die Ölstandkontrolle ebenso wenig funktioniert wie die Tankuhr und zeitweise der Tachometer, sollte man sich vor Antritt der Fahrt immer beim Besitzer erkundigen, wie es um den Zustand des Wagens bestellt sei. Die mehr oder weniger beruhigende Antwort lautet meistens: “Das reicht alles locker!”
Nun aber zu den Fahreindrücken: Wenn man erstmal den richtigen der vier Schlüssel gefunden hat, um die Fahretür zu öffnen, kommt man auf Anhieb mit der Instromentierung und den Amaturen zurecht - vorausgesetzt man kennt sich 30 Jahre alten “Dieselroß” - Traktoren der Marke Fendt aus. Man steckt bei beiden den Zündschlüssel, einen rostigen Nagel oder einen Schraubenzieher ins Zündschloß und zieht dann einen Startknopf bis zu einem gewissen Widerstand mit dem Zeige- und Mittelfinger und Gewalt heraus, bis der Motor vorgeglüht ist. Dann zieht man den Startknopf weiter nach oben; beim Daimler muß man im Gegensatz zum Traktor beide Hände benutzen. Springt der Wagen dann nicht an, sollte man doch vielleicht einmal den Ölstand kontrollieren oder seinem Beifahrer sagen, er möge sich unter den Lastwagen legen und mit einem Hammer gegen den Anlasser klopfen.
Willman dann losfahren, legt man den ersten Gang ein, der sich beim eigenen rechten Knie befindet (es wird berichtet, daß man in früheren Zeiten für einen Gangwechsel mindestens zwei kräftige Personen benötigte ) , gibt Gas, was allerdings die Wadenmuskulatur eines Fußballprofis vorraussetzt und läßt die Kupplung los. Beim losfahren findet man den zweiten Gang kurz vor der Rücksitzbank, den dritten am Knie des Beifahrers und den vierten dem Bein folgend weiter oben. Sollte der Kopilot also weiblich sein, empfielt es sich, die Landstraße dem Stadtverkehr vorzuziehen.
Die Lenkung ist genügend schwergängig und in der Mittellage ausreichend schwammig, so daß kleinere Lenkkorekturen nur fast immer notwendig sind. Zum Fahrverhalten möchte ich anmerken, daß der Daimler besonders auf Geraden und in Kurven gerne Quer- und Längsrillen nachläuft, die für das menschliche Auge nicht sichtbar sein müssen. Zum Fahrkomfort zitiere ich einige Zeilen aus Werner Oswalds Buch “Mercedes-Benz Lastwagen und Omnibusse”: “Denn dieser Wagen ist, womöglich in Verbindung mit einem Dieselmotor, für den Transport von Schwerkranken oder schwerverletzten eine geradezu barbarische Tortur. Dieser billige Knochenschüttler malträtiert die ohnehin bedauernswerten Menschen in durchaus vermeidbarer Weise.

Bleibt noch zu erwähnen, daß die großdimensionierten Außenspiegel zwar einen guten Blick auf die Vorderräder gewähren, aber einen toten Winkel aufweisen, indem sich bequem zwei Lastzüge verbergen können. Der geneigte Leser hat bestimmt schon gemerkt, daß es kaum ein Fahrzeug gibt, das ich lieber fahre, besonders wenn die 60 Pferdestärken mit spielerischer Leichtigkeit einen 12 m langen Bootshänger ziehen

Dieser Testbericht bezieht sich auf mehwöchige Testfahrten, die parallel zu den PNS- Ruderfahrten `89 und `90 stattfanden. An dieser Stelle kann dem Eigner gar nicht genug gedankt werden, daß er seinen Daimler als Test- und Versorgungsfahrzeug zur Verfügung stellte. Als Testfazit möchte ich festhalten, daß die ideellen Werte dieses Autos auf jeden Fall höher anzurechnen sind, als alles andere.

Florian Schulze

 

Daimler Autotest Ruderer