Kroatien Ugljan 2025
Kroatien Inselwelt rund um Zadar
Wellen, Wind und Wowopeh – Zwei Wochen Rudern in Kroatien
Von Heike Lüttich Auf dem Meer bin ich noch nie gerudert, deshalb reizt mich das Angebot auf der DRV-Seite für eine Wanderfahrt in Kroatien. Und das ab Mitte Oktober, so dass ich die Hoffnung habe, den Sommer um zwei Wochen verlängern zu können. Zumindest verspricht die Wettervorhersage Tagestemperaturen um die 20 Grad und meistens trockenes Wetter.
Während die meisten mit zwei Autos und dem Bootshänger von Kleinmachnow aus anreisen und in Regensburg im Ruderverein übernachten, kommen die beiden Süddeutschen, also Timo und ich, mit dem Flugzeug direkt nach Zadar, Fahrtenleiter Stefan holt uns auf Ugljan am Fährhafen ab. Ugljan ist Teil der Inselkette vor der kroatischen Küste, die wir unsicher machen wollen. Unser Quartier ist ein großes Ferienhaus mit komfortabler Ausstattung, dazu kommt eine kleine Ferienwohnung, die hundert Meter entfernt liegt.
Am ersten Tag schnuppern wir zunächst ein bisschen aufs Meer hinaus. Zehn Ruderer, verteilt auf drei Inrigger mit Bug- und Heckabdeckung. Zwei Boote fahren also mit Loch. Wir setzen in der Bucht Mala Lamjana ein, einsteigen im flachen Wasser. In der Bucht ist das Meer ziemlich friedlich, es ist ein wunderbares Gefühl, über petrolblaues Wasser zu gleiten, über uns blauer Himmel, es wird angenehm warm, sodass ich kurzbehost rudere. Dabei hatte ich eigentlich schon abgeschlossen mit den kurzen Hosen für dieses Jahr! Wir steuern die Nachbarinsel Iž an und umrunden sie. Plötzlich wird ganz kurz eine dreieckige Rückenflosse sichtbar, taucht aber gleich wieder ab. Sekunden später und ein paar Meter weiter noch eine – Delphine! Vier sind es insgesamt, die vor der Inselküste im Wasser tollen. Jeder versucht, ein möglichst gutes Foto zu machen, aber die Delphine sind meistens schneller als die Finger auf den Auslösern. Außer für einen biologisch nötigen Landgang bleiben wir die ganze Zeit im Boot, auch gevespert wird auf dem Rollsitz. Am Abend, nach 46 Kilometern, beschwert sich meine Kehrseite dann doch etwas, aber da muss sie durch.
Für den nächsten Tag ist ein ehrgeizigeres Ziel angesetzt – durch die Inselkette durch zu den Kornaten, also der äußersten Inselgruppe bis auf die inselfreie Adria hinaus – einmal in Richtung Italien gucken! Immer wieder sehen wir die Lücke zwischen den Inseln, hinter der nur noch das offene Meer liegt, aber irgendwie kommt sie nicht näher … Wir ziehen, was das Zeug hält, aber heute ist das Meer rauer und wir müssen über eine längere Strecke auf den Windschatten der Inseln verzichten. Unser Boot tanzt auf den Wellen, die das Rudern nicht gerade einfacher machen. Für Ruderer wie mich, die eher stille Wasser gewohnt sind, ist es anstrengender als sonst. Und egal, wie weit wir kommen, die Ansage lautet, um halb zwei umzudrehen, schließlich müssen wir alles wieder zurückrudern. Und genauso kommt es: ohne den „Durchbruch“ zu erreichen, kehren wir um und sind erleichtert, als „unsere Bucht“ in Sichtweite kommt. Dass in der Nacht auch das Bett noch schwankt, versteht sich fast von selbst.
Ugljan ist nur durch eine schmale Meerenge von der Nachbarinsel Pašman getrennt, über die eine Autobrücke, die Ždrelac-Brücke, führt. Die ist am dritten Tag das Ziel, aber der Wind macht den Booten einen Strich durch die Rechnung. Er bläst so stark, dass Rudern nur noch eine Qual ist. Die Boote klatschen immer wieder heftig von der Wellenkrone aufs Wasser, die Ruderer werden durchgeschüttelt, zwischendurch hängt das Steuer frei in der Luft. Gottseidank haben wir ein Standquartier und müssen keine bestimmte Strecke bewältigen, also Umkehr und ruderfreier Nachmittag.
Der neuerliche Versuch am nächsten Tag gelingt. Wir rudern unter der Brücke nach Pašman durch, überqueren die Meerenge und fahren an der Küste von Pašman entlang. Auf der Backbordseite sehen wir Zadar, an Steuerbord gleiten Pinienwälder, Olivenhaine und Ferienhäuser vorbei. Unser Ziel ist der Yachthafen des Ortes Pašman, wo wir an der Kaimauer anlegen, die Boote festzurren und Kaffee trinken gehen. So gestärkt treten wir den Rückweg an und sind um fünf wieder in unserem Quartier.
Über Nacht ist der Wind stürmisch geworden und hat Regenwolken herangeweht. Schon der abendliche Check der Wettervorhersage hat deutlich gemacht, dass Rudern heute ausfallen muss. Stattdessen beschäftigen sich alle irgendwie, lesen, schlafen oder gehen spazieren und erkunden den Ort Kali. Einkaufen fürs gemeinsame Essen muss natürlich auch sein. Jeden Abend kocht jemand anderes, die Bandbreite reicht von Krautfleckerl über Spaghetti Carbonara oder Bolognese bis zu Toast Hawaii und Gemüsecurry. Es finden sich auch immer genügend Schnippler, Tischdecker, Spüler und Aufräumer.
Am Freitag steht eine besondere Aufgabe an: wir müssen pünktlich am Fährhafen in Preko sein, um einen neuen Ruderer abzuholen, selbstverständlich standesgemäß mit Ruderbooten. Lars soll um zwölf mit der Fähre ankommen und wir schaffen es – just in time! Zehn vor zwölf sind wir da. Sein Gepäck wandert ins Boot, dann steigt Lars ein und wir rudern zu einem Kaffeestopp im nächsten Hafen. Danach frischt der Wind wieder auf. Als wir durch die Meerenge zwischen den beiden Inseln durch sind und zu unserer Bucht nach rechts abbiegen, kommen auch noch heftige Wellen dazu. Schön rudern geht definitiv anders! Wir kommen nicht so recht von der Stelle, könnte man meinen, aber unser Steuermann Martin beruhigt uns, dass das nur so aussieht, aber trügt. Ich fühle mich so durchgeschüttelt und gestaucht, dass auch meine Hirnzellen durcheinandergeraten und die Buchstaben verdrehen – statt „Popoweh“ habe ich deshalb „Wowopeh“. Wieder schwankt die Matratze und schaukelt mich in den Schlaf.
Die Wettervorhersage, die Stefan am Abend konsultiert hat, sorgt dafür, dass wir etwas später frühstücken als sonst, schließlich sagt die Petrus-App, es sei kein Ruderwetter. Aber nichts ist so unbeständig wie eine solche Vorhersage. Der Wind ist nur ein laues Lüftchen, die Sonne scheint, also satteln wir die Hühner wenigstens für eine kurze Fahrt Richtung Iž. Als wir unsere Bucht verlassen, nimmt der Wind zu. Wir kämpfen mit Stauwellen, Steuern ist eine kühle Angelegenheit. Gottseidank hat jedes Boot eine extra Decke für den frierenden Steuermann dabei. Auf dem Rückweg tröpfelt es auch noch ein bisschen. Gegen Mittag legen wir die Boote wieder in unserer Bucht auf die Wiese.
Am Nachmittag gibt es ein kleines Kulturprogramm. Stefan hat im Reiseführer vom Kloster Sv. Kuzme i Damjana gelesen, auf einem Hügel oberhalb von Tkon auf der Insel Pašman. Es stammt aus dem 14. Jahrhundert und ist das einzige noch von Mönchen bewohnte Benediktiner-Kloster in Kroatien. Ausnahmsweise erkunden wir Ruderer also eine Sehenswürdigkeit mit dem Auto. Die Klosteranlage und die Kirche sind nicht groß, uns begegnet auch nur ein einzelner Mönch. Die Aussicht vom Hügel ist allerdings fantastisch.
Die Umstellung auf Winterzeit wirft unseren bisherigen Tagesablauf durcheinander. Bisher sind wir meist gegen fünf zurückgekehrt, da ist es jetzt aber schon dunkel. Stefan beschließt, noch einen Ausflug in Richtung Kornaten und Adria zu versuchen. Dafür müssen die Boote aber schon in aller Herrgottsfrühe aufs Wasser, sonst reicht die Zeit nicht für den Rückweg im Tageslicht. Diesmal klappt es, Wind und Wellen halten ihre Kräfte zurück. Alle sind überwältigt von der traumhaften Insellandschaft und dem Blick ins blaue Nichts, hinter dem Italien liegt.
Viele der Inselküsten, die wir bisher gesehen haben, fallen steil ins Meer ab, der helle Saum der Inseln ist in aller Regel Fels. Am Ufer recken viele Steine ihre Spitzen aus dem Wasser, es ist gar nicht so einfach, einen Anlegeplatz zu finden, sei es auch nur für eine biologische Pause. Aussteigen mit Wasserschuhen ist sowieso obligatorisch. Stefan will uns allerdings zeigen, dass es durchaus auch Sandstrände gibt. Die Insel Vrgada ist berühmt dafür, sie ist unser nächstes Ziel. Was für eine Wohltat, den Kiel des Bootes beim Anlegen sanft auf den Sand aufzusetzen statt auf spitzkantige Steine achten zu müssen! Wie überall ist das Wasser ganz klar, winzige Wellen kräuseln die Oberfläche und den Sand. Der Strand ist nicht breit, die Strandbar schon im Winterschlaf. Über die meterhohe Felskante, die den Strand begrenzt, ragt eine halbe Baumwurzel. Eine Pinie scheint sich mit aller Kraft festzukrallen, um nicht abzustürzen. Ohne Badetouristen ist der Strand eine echte Idylle, die wir aber nicht allzu lange genießen können – schließlich dräut der frühe Sonnenuntergang. Zurück nach Mala Lamjana wäre zu weit, diesmal ist der Plan, bis Tkon auf Pašman zu rudern. Dort nehmen wir im Yachthafen die Boote über die glitschige Bootsrampe aus dem Wasser und lagern sie über Nacht am Kai. Der Bus bringt uns zurück nach Kali und am nächsten Morgen wieder zu den Booten.
Der Rückweg erfreut uns mit einiger Herausforderung für die Steuerleute. Permanent drücken Wind und Wellen die Boote aus der gewünschten Richtung, pausenlos muss man korrigieren, um den Kurs zu halten. Als die Umrundung von Pašman komplett ist, sprich, wir unter der Brücke durchgefahren sind, wird es richtig heftig. Meterhohe Wellen, immer wieder klatschen die Boote aufs Wasser, es schwankt ordentlich, im Bug bliebt niemand ganz trocken. Erst nach dem erneuten Richtungswechsel, als wir auf unsere Bucht zufahren, wird es ruhiger. Diese 25 Kilometer haben sich angefühlt, als wären sie doppelt so weit gewesen.
Am nächsten Tag, unserem vorletzten Rudertag mahnt die Petrus-App zu erhöhter Vorsicht. Fahrtenleiter Stefan gibt deshalb vor, dass nur die Obleute steuern dürfen. Erst ist alles noch ganz ruhig und sogar warm auf dem Wasser, aber als wir am Industriehafen vorbei Richtung Nordwesten abbiegen, um an Ugljan entlang zu schippern, beginnt der Tanz auf den Wellen. Der Wind zeigt uns, was er drauf hat, und peitscht das Meer ordentlich. Die Wellen spielen mit uns, manche sind bis zu zweieinhalb Meter hoch. Die Steuerleute müssen kämpfen, um die Boote im richtigen Winkel darüber zu bugsieren. Die Blätter gleiten durchs Wasser wie durch Butter – manchmal ist die allerdings kühlschrankhart. Ein eventuell nötiger Landgang ist absolut illusorisch, angesichts der Steine am Ufer bei dem Wellengang viel zu gefährlich. Nach zweieinhalb Stunden entscheidet Stefan, die Fahrt für den Tag lieber zu beenden. Windstärke 6 – 7 ist kein Pappenstiel. Die enge Einfahrt in das Miniatur-Hafenbecken ist bei den Verhältnissen eine Herausforderung, aber alle schaffen es. Die Boote bleiben über Nacht neben dem Becken an Land liegen. Wir machen uns zu Fuß auf den Weg zum nächsten Bus.
Eigentlich hätten wir gestern um die Insel herumfahren sollen, jetzt gehen wir die zweite Hälfte dieser Tour halt am letzten Tag an – bei wesentlich günstigeren Bedingungen. Ohne Wind und Wellen gehen Einsetzen und Ablegen viel schneller. Und das bisschen Wind, das uns erwartet, als wir um den nördlichsten Zipfel der Insel herum sind, kann uns nach gestern nur noch ein leises Lächeln entlocken. Wir passieren den Ort Ugljan und freuen uns weiter an der grünen Küste. In Lukoran gibt es in der Bucht mitten im Ort einen Sandstrand, optimal zum Anlegen, Abriggern und Aufladen. Immerhin haben wir auf die Art fast die ganze Inselküste gesehen, es fehlen nur etwa fünf Kilometer zur vollständigen Inselumrundung. Und fast alle haben mindestens 300 Kilometer mehr auf dem Tacho nach den zwei Wochen.

